Die Bestätigung der Diagnose folgte am nächsten Tag und ließ meine Eltern
in ein tiefes Loch stürzen- noch sahen sie mich in meinem Bett liegen und lächeln,
doch die Ärzte ließen ihnen wenig Hoffnung.

Morbus Pompe zählt zu den "medizinischen Waisenkindern (orphan deseases)",
für die es sich aufgrund der enorm hohen pharmazeutischen Forschungs- und
Entwicklungskosten gemessen an der geringen Anzahl an Erkrankten kaum
zu investieren lohnt...
Begleitet von hilflosem Bedauern der Mediziner und einem nicht zu beschreibenden
Gefühl namenslosen Entsetzens, unbeschreiblicher Hoffnungs- und Hilflosigkeit
fuhren meine Eltern an diesem Abend nach Hause...

Nun gehört meine Mutter zu den Menschen, die sich selbst mit scheinbar
Unabänderlichem niemals kampflos zufriedengeben und wenn ihre Art von
Sturheit in manchen Belangen des Lebens schon schwerste Komplikationen
nach sich zog, so hat eben diese Beharrlichkeit das Gefühl der Resignation
vertreiben können.

Meine Eltern fanden über Selbsthilfegruppen kompetente und selbstlose
Ansprechpartner, ohne deren Unterstützung keiner der weiteren Schritte
möglich geworden wäre...
Ich möchte an dieser Stelle nicht zu sehr ins Detail gehen, und
komme erst im Späteren auf -insbesondere die 4 Menschen zu
sprechen- denen ich es zu verdanken habe, dass ich heute noch lebe...

Meine Eltern erfuhren von einer Behandlungsmethode, die zwar weltweit
in vollbesetzten Studien erprobt wurde, jedoch -bis voraussichtlich 2006-
noch ohne Zulassung ist und fanden einen Arzt, der sich bereit erklärte in
Eigenverantwortung einen ausserstudischen, sogenannten
"Einzelheilversuch aus Mitleid" bei mir durchzuführen.
Da meine Erkrankung im ersten Lebenshalbjahr ein Kampf gegen die Uhr ist,
packten meine Eltern kurzentschlossen unsere Sachen und verließen -entgegen
des dringenden, massiven Anratens eines dort tätigen Professors- die Herzklinik
Ich zitiere Sätze, mit denen wir konfrontiert wurden:
"Nehmen Sie ihr Kind und lassen sie es in Frieden sterben..."
"Eines Tages werden Sie vor den Schöpfer treten müssen um sich
für das zu verantworten, was Sie jetzt im Namen ihres Kindes
entscheiden."
(der Verlauf meiner Erkrankung ist ungewiss
-schwerste- Nebenwirkungen durch die Behandlung waren nicht auszuschließen...)

Langer, langer Rede - etwas kürzerer Abschluss:
Wir erreichten "meine Klinik in Oldenburg"
und sicherlich musste ich einige schmerzhafte Untersuchungen über mich ergehen lassen.
Nach knapp 8 Wochen - am 20.08.2004 um 12.40Uhr war es jedoch tatsächlich soweit:
Der erste Enzymersatz wurde per Infusion in meinen Körper geleitet
und genau diese lebensrettende Therapie erhalte ich seitdem in 14-tägigen Abständen...

Ich kann nicht sagen, dass seitdem alles immer ganz einfach war -
ich musste noch eine Operation über mich ergehen lassen, Blutabnahmen,
Röntgenuntersuchungen, die Notwendigkeit täglich starke Medikamente zu mir zu nehmen
- all´das ist heute mein Leben...
Noch immer bin ich in meinen Bewegungen aufgrund meiner Muskelschwäche
stark eingeschränkt - aber ich liebe und ich LEBE jeden Tag.

Der Zustand meines Herzens hat sich stabilisiert und folgt weiterhin einem positiven Trend
und mein Körper ist stark genug Infekte ohne größere Komplikationen zu überwinden.
Ich weiß nicht, wohin mich der Weg führt - ich weiß auch nicht, wann mein Weg endet -
aber einer Sache bin ich mir ganz gewiss:
Wenn meine Eltern eines Tages vor den Schöpfer treten, so werden sie sich nicht
- wie prophezeit - für das verantworten müssen, was sie mir angetan haben -
sondern werden meinen Dank erhalten für jeden Tag, der mir hier auf dieser Welt
geschenkt wird.

Ich erwache morgens mit einem Lächeln und abends gehe ich mit diesem Lächeln zu Bett -
und ich bin fast sicher:
DIESE AUSSAGE werden nur die wenigsten -auch gesunden- Menschen treffen können...
Ich danke Euch für Euer Interesse
Joelina 
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